14.12.2024
STATEMENT GERMAN (scroll down for english) Die aktuellen Haushaltskürzungen bedrohen die Existenz, die kontinuierliche Arbeit und die Zukunftsperspektiven der freiberuflichen Zeitgenössischer Tanz/ Performance- Künstler*innen und Akteur*innen Berlins, ihre Infrastrukturen und ihre Spielstätten. Mit dem Freelance Dance Ensemble Berlin wollen wir Sichtbarkeit für Expertise, lokale und internationale Relevanz und Vernetzung der dynamischen Performing Arts-Landschaft in Berlin schaffen. Jeder Projektantrag erfordert eine zeitintensive Vorbereitung, die eine Gestaltung komplexer Zeit- und Budgetpläne und die sorgfältige Zusammenstellung von künstlerischen Teams beinhaltet. In der letzten Förderrunde wurden nur ca. 9% der Anträge zur Einzelprojektförderung positiv entschieden. Bedingungen und Höhe der Fördermittel werden dem qualitativen und kreativen Potenzial der international geachteten Berliner Zeitgenössischer Tanz-/ Performance-Kunst nicht gerecht. Laut Systemcheck BFDK 2021-23/TanzAgenda24 sind 92% der Tanzschaffenden solo-selbständig. Viele haben ein jährliches Einkommen von ca. 15.000,00€. Wir fordern eine Umstrukturierung des Berliner Fördersystems im Dialog mit der Gemeinschaft der in dem Bereich Zeitgenössischer Tanz/ Performance arbeitenden Akteur*innen: Statt kopfloser Kürzungen, die den erreichten Fortschritt und die Errungenschaften der Szene zunichtemachen, fordern wir ein zukunftsweisendes Update, eine gemeinsam erarbeitete Strategie, die eine generative und nachhaltige Zukunft fördert. Neben der Rückgängigmachung der Kürzungen fordern wir außerdem verbesserte Arbeitsbedingungen:
Die geplanten Kürzungen und ihre unilaterale Umsetzung - ohne Rücksprache mit den am meisten Betroffenen - sind in unseren Augen nicht nur ein Symptom für die Ignoranz und Unkenntnis gegenüber unseren ohnehin schon prekären Arbeitsbedingungen, sondern auch ein Beleg für das fehlende Verständnis der komplexen Strukturen, die unserer Arbeit zugrunde liegen. Diese Strukturen sind die Grundlage für unsere oft interdisziplinären, kollaborativen und hoch engagierten, politischen und sozialen, performativen Praktiken. Hiermit laden wir den Berliner Kultursenator und andere maßgebende Politiker*innen dazu ein, in einen Dialog mit uns zu treten, um ein tieferes Verständnis dafür zu erlangen, wie wir arbeiten und welche Bedingungen und Infrastrukturen unsere Arbeit erfordert. Im Bereich Zeitgenössischer Tanz/ Performance tätig zu sein bedeutet heute viel mehr als Bühnenwerke zu schaffen, zu proben und auf Tournee zu gehen. Es umfasst auch künstlerisch-wissenschaftliche Forschung, Praktiken der Fürsorge und soziale Arbeit, politische Arbeit, kontinuierliches Lernen, Lehren, Mentoring, essayistisches Schreiben, Management, Organisations - und Produktionsarbeit. Die drastischen Einsparungen bei Strukturen - wie etwa dem Projektbüro Diversity Arts Culture oder der Berlin Mondiale; Strukturen, die Kulturschaffende über Jahrzehnte aufgebaut haben - ist ein Akt der Zerstörung und der Missachtung, insbesondere gegenüber marginalisierten Gruppen. Wir weisen darauf hin, dass es durchaus Beispiele dafür gibt, wie Kulturarbeit nachhaltiger gestaltet werden kann. In Nachbarländern wie Frankreich und Belgien haben freischaffende Künstler*innen Zugang zum „status d'intermittence“, einem System, das in Zeiten der Arbeitslosigkeit oder bei Verletzungen Unterstützung bietet. In einem wirtschaftlich so starken Land wie Deutschland ist es unverhältnismäßig, dass freischaffende Künstler*innen und Ihre Co-Akteur*innen weit mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten, aber keine Aussicht auf eine Rente haben. Künstlerische Expertise ist das Resultat einer kontinuierlichen finanziellen Investition in künstlerische Forschung und künstlerische Arbeit. Sie entsteht durch Zusammenarbeit und ist das Ergebnis der engagierten Arbeit vieler Menschen, von kompetenten und hochgradig ausgebildeten Teams, die Künstler*innen in langen Schaffensprozessen unterstützen. Die Stadt Berlin und ihre Bewohner verdienen eine diverse, reiche, blühende Kunstszene und Künstler*innen, die nicht in der Prekarität gefangen sind. Angesichts der drohenden Kürzungen schlagen wir vor, einen kollektiven Prozess zur Entwicklung einer Gewerkschaft einzuleiten, um unsere Arbeit, unsere professionellen Bedürfnisse und unsere Rechte einzufordern und zu vertreten. ******************************************************************************** STATEMENT ENGLISH The current budget cuts threaten the existence, continuity, and future prospects of freelance performing artists and other cultural workers, their infrastructure, and their venues. With the Freelance Dance Ensemble Berlin, we aim to create visibility for the expertise, local and international relevance, and interconnectedness of the dynamic performing arts landscape in Berlin. Each project application requires time-consuming preparation, which includes the creation of complex time and budget plans and the careful composition of artistic teams. In the last funding round, only around 9% of applications for individual project funding were approved. The conditions and amount of funding do not do justice to the qualitative and creative potential of Berlin's internationally respected contemporary dance/performance art. According to the BFDK system check 2021-23/TanzAgenda24, 92% of dance professionals are solo self-employed. A yearly income of around 15.000,00€ is common. We demand a restructuring of Berlin’s funding system in dialogue with the performing arts community—a forward-looking update that fosters a generative future rather than uninspired cuts that undo the progress of the scene. In addition to reversing the cuts, we call for improved working conditions, including:
The planned cuts and their unilateral implementation—without consulting the people most affected—are, in our eyes, not only a symptom of ignorance towards our already precarious working conditions but also evidence of a lack of understanding of the complex structures that underpin our work. These structures are the foundation for our often interdisciplinary, collaborative, and highly engaged political, social, and performative practices. We hereby invite Berlin’s cultural senator and other relevant politicians to engage in a dialogue with us to gain a deeper understanding of how we work and what our work requires to thrive. Being active and self employed in the performing arts today means much more than creating stage works, rehearsing and touring. It also includes artistic research, practices of care, social work, education, political work, grant writing, accounting, organizational and production work, continuous learning, teaching, mentoring and management. The drastic de-funding of structures—such as the Diversity Fund, or Berlin Mondiale, which cultural workers have built over decades—is an act of destruction and disrespect, particularly toward marginalized groups. However, there are examples of how cultural work can be structured more sustainably. In neighboring countries like France and Belgium, freelance artists have access to the “status d’intermittence,” a system that provides support during periods of unemployment or injury. In an economically strong country like Germany, it is disproportionate that freelance artists work a 40-hour week yet have no prospects of a pension. Artistic expertise is the result of the dedicated work of many people: competent and highly educated teams that support long creation processes and the continuous financial investment in artistic research and work. The city of Berlin and its residents deserve a thriving arts scene and artists who are not trapped in precarity. In light of these funding cuts, we propose initiating a process to formalize our labor, needs, and rights through the development of a union. This would provide a collective voice for an often solitary and fragmented field. |